Regina und Joseph (Familie Schwarz 1951 in Jever)
Wir wohnten '51 am Englischen Weg bei den Holzbaracken für die Armen
Die auch nichts hatten so, so wie wir.
Dann fragten diese Leute, ob wir nicht bleiben wollten sie haben uns eingeladen unsere
Wäsche zu waschen und die Männer gingen rüber um Karten, Karten zu spielen.
Doch dann hat man uns zu einem Platz geschickt an der Deponie Sillensteder Straße
Unser Sohn bekam Typhus von dem Dreck.
Wir mussten jedes Mal mit dem Fahrrad fahren in das Krankenhaus nach Wilhelmshaven
Um unseren Jungen behandeln zu lassen.
Ja, die Leute in Jever waren uns freundlich gesonnen.
Doch die Börden sagten, dass wir verschwinden sollten.
In der Mühlenstraße gab es einen Kaufmann, wenn wir zu dem gingen, unser Essen zu kaufen, dann sagte dieser Kaufmann, wir könnten später bezahlen.
Doch dann kam einer von den üblen Nazitypen von der Stadt zu dem Kaufmann und sagte ihm, er solle uns ab sofort nichts mehr verkaufen.
Ja, das Wasser bekamen wir von der Tanke gegenüber, so viel wie wir wollten, bis der üble Nazityp auch dort ankam
Doch der Mann von der Tanke, der sagte zu dem Typen, „die Leute können Wasser kriegen, bis sie ertrinken, bis sie darin ertrinken.“
Ja, die Leute in Jever waren uns freundlich gesonnen …
Als Fritz zurück nach Jever kam, da wurden wir gleich Freunde. Und wenn er uns sah, schmiss er sein Fahrrad auf die Erde und kam sofort zu uns rüber.
Ja, Fritz wollte immer, dass wir bei ihm wohnen, aber ich sagte ihm, das wäre nicht so gut, wenn er sich zu all dem Ärger auch noch Zigeuner ins Haus holt.
Ja, manchmal saß ich in Jevers Kneipen und wenn Fritz dann reinkam, pöbelten die Leute: „Oh seht mal, wer da kommt, da kommt der Jude.“
Ich fragte sie, warum sie ihn Jude nannten, Jude und nicht Levy, Friedrich Levy, dem einen hätte ich gerne eine verpasst.
Aber Fritz sagte nur: „Der meint das gar nicht so, dabei wusste er von vielen, dass sie Nazis waren. Dass sie Nazis waren und immer noch was gegen ihn hatten.
Ja, die Leute in Jever waren uns freundlich gesonnen …
Text: Iko Andrae, Musik: Iko Andrae, Andreas Bahlmann, Eckhard Harjes
Regina and Joseph (Schwarz family 1951 in Jever)
We lived in '51 on Englischer Weg near the wooden barracks for the poor.
Who also had nothing, like us.
Then these people asked if we didn't want to stay, they invited us to wash our clothes and the men to do theirs.
and the men went over to play cards, cards.
But then they sent us to a place at the Sillensteder Straße dump.
Our son got typhus from the dirt.
We had to cycle to the hospital in Wilhelmshaven every time.
To have our boy treated.
Yes, the people in Jever were friendly to us.
But the authorities told us to get out.
There was a shopkeeper in Mühlenstraße, and when we went to him to buy our food, he said we could pay later.
But then one of the evil Nazi types from the city came to the shopkeeper and told him not to sell us anything else from now on.
Yes, we got the water from the petrol station opposite, as much as we wanted, until the evil Nazi guy arrived there too.
But the man from the petrol station, he said to the guy, "people can get water until they drown, until they drown in it."
Yes, the people in Jever were friendly to us ...
When Fritz came back to Jever, we became friends right away. And when he saw us, he threw his bike on the ground and came over to us straight away.
Yes, Fritz always wanted us to live with him, but I told him that wouldn't be so good if he brought gypsies into the house on top of all the trouble.
Yes, sometimes I would sit in Jevers pubs and when Fritz would come in, people would rabble, "Oh look who's coming, here comes the Jew."
I asked them why they called him Jude, Jude and not Levy, Friedrich Levy, I would have liked to punch one of them.
But Fritz just said, "He doesn't mean it like that, although he knew from many of them that they were Nazis. That they were Nazis and still had something against him.
Yes, the people in Jever were friendly towards us ...
Text: Iko Andrae, Music: Iko Andrae, Andreas Bahlmann, Eckhard Harjes
Gedächtnisprotokoll eines Gespräches mit Joseph Schwarz und seiner Ehefrau Elsa am 9. Juni 1986 in ihrer Wohnung in der Donarstraße 20 in Oldenburg:
„1951 wohnten wir mit unserem Wagen im Englischen Weg, da standen Holzbaracken für die Armen, die auch nichts hatten, so wie wir. Ich weiß nicht mehr genau, warum wir überhaupt nach Jever kamen, aber nach 4–5 Wochen fragten uns die Leute, ob wir nicht bleiben wollten, die haben uns oft eingeladen. Wir konnten unsere Wäsche waschen und die Männer gingen oft in die Häuser, um Karten zu spielen. Überhaupt waren die Menschen in Jever im Allgemeinen freundlich zu uns, was man von den Leuten auf den Behörden nicht gerade sagen konnte. Irgendwann sagte man uns, dass wir dort vom Englischen Weg wegziehen sollten, weil dort Häuser gebaut würden. Danach wies man uns den Platz an der Müllkippe an der Sillensteder Straße zu. Von dem Dreck dort bekam unser Sohn Typhus und wir mussten jedes Mal mit dem Fahrrad nach Wilhelmshaven fahren, um ihn dort in ein Krankenhaus zu bringen. In einer Krankenkasse waren wir nicht. Zum Glück haben sich die anderen Kinder nicht angesteckt, man konnte ja nicht verhindern, dass die beim Spielen auf den Müllplatz gingen. Wir haben immer aufgepasst und sie häufig gewaschen. Auf der Stadt, da waren wie üble Nazitypen, die uns behinderten, wo sie konnten. Der eine hieß Potthoff, der wurde später Stadtdirektor von Wittmund. Jedes Mal, wenn später ein Gespann nach Wittmund kam, war nach spätestens fünf Minuten die Polizei zur Stelle, um die Leute aus der Stadt zu treiben. Wie gesagt, waren die meisten Leute freundlich zu uns. Wir kauften zum Beispiel immer bei einem Kaufmann in der Mühlenstraße ein. Der sagte, wenn wir mal kein Geld hätten, dann könnten wir später bezahlen, denn wir kämen ja immer wieder. Irgendwann kam der Potthoff in den Laden und sagte dem Kaufmann, er dürfe uns keine Waren mehr verkaufen, das hat der uns dann erzählt. Von der Tankstelle Westheermann neben der Müllkippe bekamen wir Wasser. Auch dort kam eines Tages der Potthoff an und sagte dem Mann von der Tankstelle, er solle uns kein Wasser mehr geben. Der Westheermann weigerte sich, dem zu folgen und sagte dem Potthoff, er könne ihm das nicht verbieten und die Leute an der Sillensteder Straße könnten so viel Wasser bekommen, bis sie ertränken. Später waren wir mal bei den Engländern auf dem Flugplatz. Die Engländer schickten häufig Pakete mit Kaffee und Kleidungsstücken an die Stadt Jever, damit diese die Sachen an Bedürftige verteilt. Wir bekamen nie etwas davon und deshalb beschwerten wir uns bei den Engländern. Der Kommandant rief darauf bei dem Potthoff an und fragte nach, wie so etwas geschehen könne. Dieser antwortete nur, er solle vorsichtig sein und sich nicht mit Zigeunern abgeben. Wenn man einen Gewerbeschein haben wollte, musste man einen Antrag beim Gewerbeamt stellen. Diese schickten das ausgefüllte Formular nach Oldenburg zur Bezirksregierung, die den Schein dann ausschrieb. Auf dem Gewerbeamt in Jever saß nun einer, der etwas gegen Zigeuner hatte. Das war so ein großer, muskulöser Typ. Als ich dort einmal einen Gewerbeschein beantragte, fragte der mich prompt, ob ich vorbestraft sei. Da ich allerdings vorbereitet war, konterte ich, dass ihn das nichts anginge, er müsse mir nur das Formular geben. Ob ich vorbestraft sei, interessiere höchstens die Bezirksregierung. Auf diese Tour hatte der Mann schon häufig Leute abgewiesen und daran gehindert, einen Gewerbeschein zu beantragen. In Jever war ich auch im Angelverein. Mein Bruder und ich holten uns bei Angeltournieren oft die ersten Plätze. Einer, der uns mochte, sagte mir einmal, ich müsse zusehen, dass ich immer korrekt angele, weil die anderen nur einen Grund suchten, uns aus dem Verein zu werfen. Ich wäre gerne in Jever geblieben und meine Frau auch und ich ärgere mich heute, dass wir es nicht getan haben. Einer der Menschen, mit denen wir befreundet waren, war Fritz Levy. Fritz war ein lieber Mensch. Wenn er uns auf der anderen Straßenseite sah, schmiss er sein Fahrrad auf die Erde, kam herübergerannt und umarmte uns. Fritz wollte immer, dass wir bei ihm einziehen. Er sagte mir, ich bräuchte nur zwei Handwerker zu bestellen, die würden den Dachboden ausbauen. Aber ich sagte zu ihm, es wäre nicht gut, wenn er sich zu all dem Ärger, den er sowieso schon hatte, auch noch Zigeuner ins Haus holte. Fritz war ja noch viel schlimmer dran als wir, der hatte ja niemanden, der sich um ihn kümmerte. Er war ja mal mit einer Steenken verheiratet, deren Mutter war ja auch Jüdin, eine Schwester von dem Hirsch, der müsste eigentlich heute noch in Jever wohnen. Diese Frau hat ihn nur geheiratet, um an sein Erbe ranzukommen. Die waren gerade sechs Wochen verheiratet, da sagte Fritz zu mir, er hätte den schlechtesten Fang seines Lebens gemacht. Während er auf ihre Kinder aufpassen musste, schlief sie mit anderen Männern. Und die hat jetzt alles geerbt? Ich saß häufig in Kneipen in Jever und wenn Fritz reinkam, pöbelten gleich ein paar Leute rum, oh seht mal, da kommt der Jude. Ich fragte sie, warum sie ihn Juden nannten, er hieße doch Levy. Ich wollte dem einen eine verpassen, aber Fritz sagte nur, lass es, der meint das nicht so. Er hat nie Namen genannt, obwohl er von vielen wusste, dass sie Nazis waren und etwas gegen ihn hatten. Fritz hatte jahrelang versucht, seinen Betrieb wiederzubekommen. Er sagte, wenn ich erst einmal alles wieder habe, dann bekommt ihr etwas davon ab. Sein Vetter dagegen, der Erich Levy, der war ja Großbauer. Er war genau das Gegenteil von Fritz. Wir standen ganz zu Anfang unserer Zeit in Jever an der Straße nach Wittmund. Wir wussten gar nicht, wem die Weiden gehörten. Abends kamen Bauern an, um zu melken. Da dachten wir, gut, da können wir denen ja einen Liter abkaufen. Aber die sagten, sie hätten Anweisung von Erich Levy, keine Milch an uns zu verkaufen. Und wirklich kam Erich in seinem DKW angefahren um zu kontrollieren, ob seine Bediensteten auch ja nichts an uns verkauften. Fritz kam einmal an und fragte uns, ob wir Milch von Erich kaufen könnten. Die beiden konnten sich überhaupt nicht leiden. Wir waren ja auch mal in Jever in ein Haus gezogen, das Erich Levy gehörte. Eines Tages kam er an und fragte, ob wir wüssten, wem das Haus gehöre. Wir wussten es nicht. Sich auf die Brust klopfend sagte er, es gehöre ihm und bis zum Abend sei das ganze Haus zu räumen. Ich fragte Fritz einmal, wie alt er sei. Er antwortete, seit 1900 sei er Kommunist. So hat er geredet, immer etwas märchenhaft. Er hat nie lange geredet. Meistens war er, wenn er uns besuchte, nur einen Augenblick da, um sich schnell wieder mit ‚Kameraden’ zu verabschieden. Das letzte Mal gesehen haben wir ihn so etwa 1977. Da wohnte er allein in einem Zimmer, unter dem Bett eine riesige Schachtel Zigarren. Der Raum war verqualmt und er lag da, mit einem langen Jesusbart. Er war total heruntergekommen. Den Kuchen, den er mir anbot, mochte ich nicht, ich hab ihn später weggeworfen. Zu der Zeit, als wir bei ihm waren, kam ein kleiner Junge in den Raum und Fritz wollte ihm fünf Mark geben. Der Junge traute sich nicht, das Geld anzunehmen, aber ich meinte, er könne es ruhig nehmen. Fritz hat ja immer alles weggegeben, er hat ja auch sein Haus der Jugend gegeben. Aber ich glaube, wenn ich und meine Frau bei ihm eingezogen wären, wäre das nicht so mit ihm passiert. Meine Frau hätte ihm gerne die Wäsche gewaschen und ich hätte ihm das Haus in Ordnung gehalten. Ich tue so etwas gerne und er hätte jemanden gehabt, der sich um ihn kümmert.“
Memory record of a conversation with Joseph Schwarz and his wife Elsa on 9 June 1986 in their flat at Donarstraße 20 in Oldenburg:
"In 1951 we lived with our car in Englischer Weg, there were wooden barracks for the poor who also had nothing, just like us. I don't remember exactly why we came to Jever in the first place, but after 4-5 weeks people asked us if we wanted to stay, they often invited us. We could do our laundry and the men often went into the houses to play cards. The people in Jever were generally friendly to us, which you couldn't exactly say about the people at the authorities. At some point we were told to move away from Englischer Weg because houses were being built there. After that, we were assigned a place at the rubbish tip on Sillensteder Straße. Our son got typhoid fever from the dirt there and we had to cycle to Wilhelmshaven every time to take him to hospital. We didn't have health insurance. Fortunately, the other children didn't catch it, because you couldn't prevent them from going to the rubbish tip while playing. We always kept an eye on them and washed them frequently. In town, there were some nasty Nazi types who obstructed us wherever they could. One of them was called Potthoff, who later became the town manager of Wittmund. Every time a team came to Wittmund later, the police were there within five minutes at the latest to drive the people out of town. As I said, most people were friendly to us. For example, we always shopped at a shop in Mühlenstraße. He said that if we didn't have any money, we could pay later because we would always come back. At some point, Potthoff came into the shop and told the shopkeeper that he wasn't allowed to sell us any more goods, which he then told us. We got water from the Westheermann petrol station next to the rubbish tip. Potthoff arrived there too one day and told the man from the petrol station not to give us any more water. Westheermann refused to comply and told Potthoff that he couldn't forbid him and that the people on Sillensteder Straße could get as much water as they wanted until they drowned. Later, we were once with the English at the airfield. The English often sent parcels of coffee and clothes to the town of Jever so that they could distribute them to the needy. We never got any of it, so we complained to the British. The commandant then rang Potthoff and asked how this could happen. He simply replied that he should be careful and not mix with gypsies. If you wanted a trade licence, you had to apply to the trade office. They sent the completed form to the district government in Oldenburg, which then advertised the licence. There was someone at the trade licence office in Jever who had something against gypsies. He was a big, muscular bloke. When I applied for a business licence there, he promptly asked me if I had a criminal record. However, as I was prepared, I countered that it was none of his business, he just had to give me the form. Whether I had a criminal record was of interest only to the district government. The man had often turned people away in this way and prevented them from applying for a trade licence. I was also in the fishing club in Jever. My brother and I often came first in fishing tournaments. One of the people who liked us once told me that I had to make sure I always fished correctly because the others were just looking for a reason to kick us out of the club. I would have liked to have stayed in Jever and so would my wife, and I'm annoyed today that we didn't do it. One of the people we were friends with was Fritz Levy. Fritz was a lovely person. When he saw us on the other side of the road, he would throw his bike on the ground, run over and give us a hug. Fritz always wanted us to move in with him. He told me that all I had to do was call in two workmen and they would convert the attic. But I told him it wouldn't be good if he brought gypsies into the house on top of all the trouble he was already in. Fritz was even worse off than us, he had no one to look after him. He was once married to a Steenken, whose mother was also Jewish, a sister of Hirsch, who should still be living in Jever today. This woman only married him to get her hands on his inheritance. They had only been married for six weeks when Fritz said to me that he had made the worst catch of his life. While he had to look after her children, she slept with other men. And now she's inherited everything? I often sat in pubs in Jever and when Fritz came in, a few people would immediately start ranting, oh look, here comes the Jew. I asked them why they called him a Jew, his name was Levy. I wanted to punch one of them, but Fritz just said leave it, he doesn't mean it. He never named names, although he knew that many of them were Nazis and had something against him. Fritz had been trying for years to get his business back. He said that once I had everything back, you would get some of it. His cousin, Erich Levy, on the other hand, was a big farmer. He was the exact opposite of Fritz. At the very beginning of our time in Jever, we were standing on the road to Wittmund. We didn't even know who owned the pastures. Farmers came in the evening to milk the cows. We thought, well, we can buy a litre from them. But they said they had instructions from Erich Levy not to sell milk to us. And Erich really did drive up in his lorry to check that his servants weren't selling anything to us. Fritz arrived once and asked us if we could buy milk from Erich. The two of them didn't like each other at all. We had once moved into a house in Jever that belonged to Erich Levy. One day he arrived and asked if we knew who owned the house. We didn't know. Beating his chest, he said it belonged to him and that the whole house had to be cleared by the evening. I once asked Fritz how old he was. He replied that he had been a communist since 1900. That's how he talked, always a bit like a fairy tale. He never talked for long. Most of the time when he visited us, he was only there for a moment before quickly saying goodbye with 'comrades'. The last time we saw him was around 1977, when he was living alone in a room with a huge box of cigars under his bed. The room was smoky and he was lying there with a long Jesus beard. He was totally run down. I didn't like the cake he offered me, I threw it away later. At the time we were with him, a little boy came into the room and Fritz wanted to give him five marks. The boy didn't dare take the money, but I said he could take it. Fritz always gave everything away, he even gave his house to the youth. But I think if me and my wife had moved in with him, it wouldn't have happened to him like that. My wife would have liked to do his laundry and I would have kept the house in order for him. I like doing things like that and he would have had someone to look after him."