Im Zentrum der Provokation

In jedem Paradies ein wunder Punkt – wie ein Blatt auf nackter Haut
Vor dem Haus am Ende der Straße ist der Asphalt bunt bemalt
Hineinzugehen ist lebensmüde – doch mutig sein gehört dazu
Die anderen zuerst, fast demütig – Angst vor dem, was da kommt.

Wie ein Finger in unseren Wunden lebt hier das schlechte Gewissen der Stadt
Wie ein Finger in unseren Wunden lebt hier das schlechte Gewissen der Stadt

Im Hausflur gibt der Boden nach – da bin ich es der kippt
Im Strudel des ewig wenig Versteckten – im Chaos und der Ahnung von Schuld
Ein Zeigefinger, hoch erhoben – Schreie, kaum in Worte gehüllt
Treffen mich zerhackt, durch Rotoren geworfen
Worte, wie Salven und Rauch überall

Wie ein Finger in unseren Wunden lebt hier das schlechte Gewissen der Stadt
Wie ein Finger in unseren Wunden lebt hier das schlechte Gewissen der Stadt

Kalter Qualm in griechischen Mythen - Natotüten – Naziwüten – Arierschwein!

Wer hat mich gewarnt, dass nichts mehr so ist, wie es vorher vielleicht auch nie war
Da stehe ich und suche nach meinem Verstand – hier im Zentrum der Provokation

Wie ein Finger in unseren Wunden lebt hier
das schlechte Gewissen der Stadt
Wie ein Finger in unseren Wunden lebt hier
das schlechte Gewissen der Stadt

Text: Iko Andrae · Musik: Iko Andrae, Andreas Bahlmann, Eckhard Harjes

At the centre of provocation

In every paradise a sore spot - like a leaf on bare skin
In front of the house at the end of the street the asphalt is colourfully painted.
To go in is tired of life - but to be brave is part of it.
The others first, almost humble - afraid of what's coming.

Like a finger in our wounds lives here the bad conscience of the city
Like a finger in our wounds lives here the bad conscience of the city

In the hallway the floor gives way - it's me who topples over
in the maelstrom of the eternally little hidden - in the chaos and the foreboding of guilt.
A pointing finger, raised high - screams, barely wrapped in words
meet me chopped up, thrown through rotors.
Words, like volleys and smoke everywhere.

Like a finger in our wounds lives here the bad conscience of the city
Like a finger in our wounds, here lives the city's guilty conscience

/: Cold smoke in Greek myths - Nato bags - Nazi rages :/ Aryan pig!

Who warned me that nothing is the same as it perhaps never was before?
There I stand, searching for my sanity - here in the centre of provocation.

Like a finger in our wounds lives here the bad conscience of the city
Like a finger in our wounds lives here the bad conscience of the city

Text: Iko Andrae · Music: Iko Andrae, Andreas Bahlmann, Eckhard Harjes

Freund Holger berichtete eines Tages von einem alten Juden, der in einem großen Haus in der Schlosserstraße lebte und dort an Schüler mit einigermaßen schlechten Noten Geld verteilte. Das wollten wir natürlich selbst auskundschaften und zogen zu dritt zum Haus von Fritz Levy. Eckhard war unser Anführer, denn er wusste bereits, wo dieser wohnte, sein Vater war schon wegen kleiner Elektroreparaturen bei ihm im Hause gewesen.

Als wir in diesem Sommer 1975 schließlich vor der Tür des Levyschen Hauses an der Schlosserstraße Ecke Bismarckstraße standen, und, ohne unser Begehr des Einlasses kundtun zu können - eine Klingel gab es nicht - etwas verschüchtert durch den Haupteingang traten, waren wir ziemlich beeindruckt von dem Chaos, das uns dort erwartete. Die Dielenbretter im Eingangsflur waren teilweise durchgebrochen. Darunter sollen angeblich ein paar Kaninchen auf dem nackten Lehmboden umhergehuscht sein, woran ich mich aber nicht erinnere. Sehr präsent war der Geruch nach kaltem Zigarrenqualm, der uns bereits in der Eingangshalle in die Nase stieg, in der wir eine Weile verlegen herumstanden. Vom Foyer aus führte eine Treppe in das Obergeschoss, in dem damals eine Wohngemeinschaft mit Manfred Gebhards und noch anderen jungen Erwachsenen lebte. Oben, hinter einer Galerie, waren die Zimmertüren zu sehen. Gegenüber der Haustür, aus einem Raum rechts neben dem Treppenaufgang, hörten wir Stimmen. Hinter der Tür zu einem schmalen Raum stand an der rechten Wand ein Sofa, ein Chaiselongue. Auf diesem lag Fritz Levy mit den Füßen zur Tür und unterhielt sich mit einem Besucher. Wir traten in den Raum, wurden sogleich von den beiden Herren begrüßt - keiner der beiden wunderte sich, dass wir dort auftauchten - und wurden von Fritz Levy sogleich mit einem Schwall lateinischer Zitate beschallt, der uns darauf wie abgerichtete Zirkustiere aufforderte, ihm unsere Schulzeugniszensuren aufzusagen. Da wir drei uns natürlich auf unseren Auftritt vorbereitet hatten, bekam er viele Vieren und Fünfen zu hören. Tatsächlich bekamen wir für jede Fünf, die wir ihm nennen konnten, von Fritz 50 Pfennige in die Hand und, obwohl auch ich mächtig angeben konnte, schließlich hatte ich just das Klassenziel verfehlt und war sitzen geblieben, schnitt Holger bei unserem Abenteuer am besten ab.

One day, our friend Holger told us about an old Jew who lived in a large house in Schlosserstraße and distributed money to pupils with reasonably poor grades. Of course we wanted to find out for ourselves and the three of us went to Fritz Levy's house. Eckhard was our leader because he already knew where he lived because his father had already been to his house for minor electrical repairs.

When we finally stood in front of the door of Levy's house on the corner of Schlosserstrasse and Bismarckstrasse in the summer of 1975 and, without being able to announce our desire to enter - there was no doorbell - stepped through the main entrance somewhat intimidated, we were quite impressed by the chaos that awaited us there. The floorboards in the entrance hallway were partially broken through. Underneath, a few rabbits were said to be scurrying around on the bare clay floor, but I don't remember this. The smell of cold cigar smoke was very present, and we could already smell it in the entrance hall, where we stood around for a while, embarrassed. A staircase led from the foyer to the upper floor, where a flat-sharing community with Manfred Gebhards and other young adults lived at the time. Upstairs, behind a gallery, the room doors could be seen. Opposite the front door, from a room to the right of the staircase, we heard voices. Behind the door to a narrow room on the right-hand wall was a sofa, a chaise longue. Fritz Levy was lying on it with his feet towards the door, talking to a visitor. We entered the room, were immediately greeted by the two gentlemen - neither of them were surprised that we were there - and were immediately bombarded with a barrage of Latin quotations from Fritz Levy, who then asked us to recite our school report grades to him like trained circus animals. As the three of us had of course prepared for our performance, he got to hear lots of fours and fives. In fact, Fritz gave us 50 pfennigs for every five we could tell him and, although I also had a lot to brag about - after all, I had just missed the class target and was left behind - Holger did best in our adventure.